viernes, 25 de abril de 2008

Deutschland/Mexiko - der Unterschied

Deutschland - der Klagenkatalog

Man darf sich fragen, ob man sich in der überorganisierten rechthaberischen Germanengesellschaft wohler fühlt, wo man schon angepöbelt wird, wenn man mit dem Auto verkehrt herum auf der anderen Strassenseite parkt oder angezeigt wird, wenn man den Schnee beim gegenüberwohnenden Nachbarn nicht rechtzeitig morgens vor 7 Uhr beseitigt, weil man bei Strassen mit nur einem Gehweg jeweils im ungeraden Jahr dazu verpflichtet ist, oder wo man zurechtgewiesen wird, wenn man auf der fahrradmarkierten Seite des Fussgängerweges läuft. Oder man wird beim Bezirksschornsteinfeger angezeigt, weil beim Anheizen des Holzofens zu starker Rauch aus dem Schornstein steigt, beim Kreisbauamt weil das Gartenhäuschen zu nahe an der Grundstücksgrenze aufgebaut haben, weil der Gartenzaun höher als 1,40 cm ist, weil einer der Vorgartenbegrenzungssteine inzwischen etwas schief steht und 2,5 cm zur Garageneinfahrt des Nachbarn ragt. Man wird verdächtigt, Regenwassertonnen vergraben zu haben, aus denen angeblich überlaufendes Wasser in das Nachbargrundstück fliesst und dort die zugewandte Kellerwand nass macht.

Und der mexikanische Klagenkatalog

Mit Recht kann man sich ueber taegliche Kleinigkeiten aergern , wie z.B. das laissez-aller in Sachen Geld, d.h. ausstehende Schulden werden einfach „vergessen“ in der Hoffnung, dass der Glaeubiger die Schuld ebenfalls vergisst. Dann Versprechungen, die, sobald gemacht, auch schon wieder vergessen sind. So haben wir einen Freund/Bekannten, der uns seit drei Wochen sagt, er kommt „ahorita“ mal eben vorbei zu einem Glas Tequila (er ist bis heute nicht gekommen), und der Tequila ist inzwischen fast verdunstet.

Natuerlich sei in diesem Zusammenhang auch erwaehnt, dass das Konzept „Zeit“ unter den Latinos aeusserst elastisch ist, und man kann sich einfach nicht daran gewoehnen, dass eine Einladung mit angegebener Zeit automatisch wenigstens 30 Minuten, wenn nicht sogar eine geschlagene Stunde hinausgezogen wird. Gerade gestern z.B. waren wir zum Dinner um 19 Uhr eingeladen. Um 19:45 Uhr, als wir ankamen, waren wir nicht nur die ersten, sondern die Gastgeberin war nicht einmal zu Hause; der Hausherr erklaerte uns, dass sie kurzfristig mal eben nach Tijuana fahren musste, und sie kam endlich gegen 21 Uhr zurueck; es war ihr nicht einmal peinlich, und entschuldigt hat sie sich auch nicht. Letztlich wurde das Dinner gegen 22 Uhr serviert! Das ist zwar ein extremer Fall, aber die Tatsache bleibt, dass der Begriff "Zeit" sehr verschiedene Auslegungen haben kann.

Es ist ebenfalls unverstaeandlich, warum die Mexikaner guten Rat verschmaehen. So haben wir in unserem Bekanntenkreis zwei junge Studentinnen, die fuer ein Semester oder auch zwei an einer der Universitaeten in Barcelona studieren wollen. Wir haben ihnen mehrmals nahe gelegt, einige Tips fuer das Leben in Barcelona bei uns einzuholen – weder die eine, noch die andere hat dieses Angebot wahrgenommen und sind inzwischen in Barcelona. Die Mexikaner wissen es halt besser!

Und reden wir schon gar nicht vom normalen Buergersinn (civismo) der Bevoelkerung – wo immer moeglich, wird versucht, das Gesetz oder die Anordnungen zu umgehen oder auszunutzen. Eine Anekdote? Hier: Im Nachgang zu den Braenden in Suedcalifornien wurden ueberall Unterkuenfte fuer die Opfer bereit gestellt, und das Rote Kreuz sowie viele gemeinnuetzliche Vereinigungen und freiwillige Helfer haben Nahrung, Wasser und sonstige Gebrauchsartikel gratis verteilt; und es hat anscheinend Leute gegeben, die ihr Auto vollgepackt und die Sachen dann in Tecate verkauft haben. Die Polizei hat zwei von ihnen ueberrascht und verhaftet – so erzaehlt man jedenfalls.

So haben wir doch in den fast sechs Jahren, die wir hier sind, gelernt, uns auch ueber wichtige Angelegenheiten nicht aufzuregen, wenn man die Politik aussen laesst. Da ist jedoch noch eine andere Sache, die in diesem mexikanischen Klagenkatalog wichtig erscheint – der Mexikaner mag etwas gegen „Ordnung muss sein“ haben, aber er ist ebenso tolerant denjenigen gegenueber, die so handeln wie er. Wie oft wundere ich mich, dass im Strassenverkehr nicht mehr gehupt wird; nein, die Dummheiten, die der Autofahrer vor oder neben mir macht, werden mit Geduld ausgewartet, und das naechste Mal bin ich dran und darf mit dem Verstaendnis der anderen Autofahrer rechnen.

All dies – und mehr – verblasst jedoch neben der angeborenen Freundlichkeit und Froehlichkeit „unserer“ Mexikaner. Neben all ihren Schwaechen haben sie eine grosse Tugend: sie lieben ihren Naechsten und muessen erst vom Gegenteil ueberzeugt werden, um ihre Meinung zu aendern.
Manchmal z.B. haben wir lauthals gegen irgend etwas protestiert, und was haben wir zur Antwort bekommen? Ein herzhaftes Lachen. Nun, sie moegen keine Konfrontationen oder grosse Proteste, und deshalb ist Mexiko wohl auch so stagnierend. Wir haben vor kurzem ein Buch des mexikanischen politischen Analysten Macario Schettino entdeckt, in dem er sogar meint, dass eine regelrechte Revolution in Mexiko nie stattgefunden hat. Interessant!

Unser Leben hier kann wohl als „pikant“ beschrieben werden, und wir koennen uns weder ueber Langeweile noch allzu grosse Routine zu beklagen haben. Natuerlich gibt es im Germanenland viele Dinge, die uns gefallen und die wir vielleicht sogar vermissen, und wir freuen uns natuerlich, wenn unsere mexikanischen Freunde voller Bewunderung und Begeisterung von einer Deutschlandreise zurueckkommen. Aber wuerden sie dort wohnen wollen?